Natalie Czech
19.01.2021 bis
25.04.2021
Eröffnung: Di., 19. Januar, 11 Uhr

Das Verhältnis von Text und visueller Form ist zentrales Thema der 1976 in Neuss geborenen und heute in Berlin lebenden Künstlerin Natalie Czech. Im Medium der Fotografie geht sie in unterschiedlichen Werkserien der Frage der dynamischen Wechselwirkung von Text und Bild nach.

2010 etwa begann sie mit der Serie Hidden Poems einzelne Seiten aus Zeitschriften, Büchern oder Magazinen abzulichten. Das Besondere an diesen Bildern war, dass die Künstlerin in den Gebrauchstexten zunächst einzelne Wörter markierte, indem sie diese entweder ausgestrichen oder hervorgehoben hat, sodass sich Wort für Wort gelesen Gedichte verschiedener Autorinnen und Autoren wie Rolf Dieter Brinkmann, E. E. Cummings, Jack Kerouac, Frank O’Hara, Sarah Riggs ergaben. So bahnt Natalie Czech der Poesie eine Spur durch das alltägliche mediale Treibgut.

Aus der Welt der Accessoires der populären Kultur, von der Plastiktüte bis zum Plattencover, stammen die Bildmotive der Werkreihe Poems by Repititon. Im Stil klassischer Objektfotografie reiht sie die Gegenstände mehrfach in Sequenz quasi identischer Abbildungen und setzt so einen neuen Text zusammen. Die Wiederholung, der Rhythmus, die Vervielfältigung spielen hier eine bedeutende Rolle.

Ein komplexes Zusammenspiel von Gegenstand, Text und Bild zeigt die Serie Poet’s Questions und Poet’s Statements. Hier wird die Lese- und Kombinationsfreude der Betrachter*innen durch das Stilmittel des Anagramms herausgefordert und erfreut.  Natalie Czech hat Gegenstände fotografiert, deren Markennamen oder Beschriftungen stets die Buchstaben aufweisen, aus denen die Künstlerin einen neuen Text zusammensetzt.

Jüngst entstanden ist die Werkserie der Cigarette ends, für die Natallie Czech vielfach Zigarettenpackungen aus den 1940er und -50er Jahren mit so klangvollen Namen wie fact, true,  oder mood erwirbt. Die gerauchten Kippen arrangiert sie neben- oder untereinander auf verschiedenfarbigen Untergründen und fotografiert dieses Arrangement ab. Die Namen der Zigaretten, sichtbar auf den Banderolen, setzen sich zu minimalistischen Gedichten zusammen. Hier basieren diese allerdings nicht wie in den bisherigen Arbeiten auf literarischen Vorlagen, sondern werden von der Künstlerin selbst „geschrieben“.

„Poetry’s not made of words“, ein Zitat aus einem Gedicht der amerikanischen Autorin Ariana Reines, findet sich in einer Arbeit in der Serie der Poet’s Statements. Wenn es denn aber nicht die Worte sind, aus denen Gedichte gemacht sind, was ist es dann? Sind es Gefühle, die sie wachrufen, ist es ihr Rhythmus, ihr Klang, ihre Bedeutung? Oder sind es die Bilder, die sie in uns erzeugen? Diese stetige Ambivalenz wird für die Betrachterinnen und Betrachter zu einem dynamischen Miteinander von Schauen und Sehen, Sehen und Lesen, Lesen und Schreiben. Natalie Czech kreiert Bilder, die uns zum Lesen anregen, Texte, die uns zum Betrachten, Hören, Fühlen, vor allem aber zum Denken animieren sollen.

Wir freuen uns sehr, dass eine neue Werkserie im Kunstverein Heilbronn zu sehen sein wird. Die amerikanische Zeitschrift The New Yorker bildet dafür den Ausgangspunkt. Die Anregung zu dieser Serie kam der Künstlerin auf langen Spaziergängen durch die Stadt während des Lockdowns im Frühjahr 2020.